Zitat:Original von Wutzer
Da es hier im Titel auch heißt : "Wer weiß was ?", erlaube ich mir auch eine technische Zusatzfrage zu stellen, mit deren Beantwortung man einen Bonus einfahren und sein technisches Wissen zeigen kann.
Sie lautet: Was ist der Unterschied zwischen einer Vorentflammung und einer Selbstzündung (teilweise auch Glühzündung genannt) ?
Gruß
Wutzer
Hallo zusammen,
hatte ja für heute die Auflösung dieser Frage angekündigt, an der die Beteiligung doch etwas zurückhaltend war.
Die Antwort fällt zwangsweise etwas ausführlicher aus. Sie ist also nur bedingt "wenzeltauglich", aber für den einen oder anderen hoffentlich vielleicht doch ganz informativ.
Los gehts:
Wie wir alle wissen, ist der Otto-Motor eine
fremdgezündte Brennkraftmaschine. Dazu steht der Begriff
Selbstzündung im krassen Widerspruch. Er ist somit der Oberbegriff für alle Verbrennungsanomalien die es beim Ottomotor gibt. Die Vorentflammung ist somit nur eine Unterform der Selbstzündung. Soweit hätte man "durch Nachdenken ohne fachspezifische Kenntnisse" kommen können. Erschwert wird das Ganze leider durch die Tatsache, dass selbst Fachleute nicht immer sauber zwischen Glüh- und Selbstzündung unterscheiden. Und uncleRobb wird bestätigen können, dass eine saubere Definition der Begriffe die Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Verständnis bei komplexeren Fragen in der Technik, Physik usw. ist.
Möchte jetzt noch alle Verbrennungsanomalien und deren Folgen kurz vorstellen, damit jeder seine Meinung /Vorstellung dazu überprüfen und eventuell revidieren kann.
Der Thermodynamiker unterscheidet grob
4 Arten der Verbrennungsanomalie. Das sind nach steigender Gefährlichkeit geordnet:
-
die Nachentflammung
-
das eigentliche Klopfen (auch eine Form der Nachentflammung)
-
die Vorentflammung
-
die Glühzündung. (oftmals auch ungenau nur Selbstzündung genannt s.o.)
Natürlich gibt es auch im dynamischen Fahrbetrieb Zwischenstufen und Vermischungen von diesen Vorgängen.
Unter
Nachenflammung versteht man das selbstständige Einsetzen einer Verbrennung nach dem eigentlichen Soll -Zündzeitpunkt. Normalerweise kein Problem, da dann ja die eigentliche Verbrennung schon läuft. Kritisch wird es allerdings, wenn das Motorsteuergerät bei einem externen Eingriff ( ESP oder Getriebeanforderung) eine Momentenreduzierung über einen späteren Zündzeitpunkt realisieren möchte und sich durch die einsetzende Nachentflammung nicht das gewünschte Motormoment einstellt. Dann kann regelungstechnisch Einiges durcheinander geraten.
Physikalischer Hintergrund der Nachentflammung: Nach dem üblichen Zündzeitpunkt im Kennfeld (z. B. 30 Grad vor OT) wird das eventuell nicht über einen Funken gezündete Gemisch weiter verdichtet, wobei der Druck und die Temperatur im Zylinder weiter steigen. Werden dabei irgendwo die Randbedingungen für eine Selbstentflammung (Hot spot) überschritten, braucht man keinen Zündfunken mehr.
Schadensformen: Im Motor keine, Getriebe eventuell höherer Verschleiß an den Kupplungen.
Beim eigentlichen
Klopfen kommt es zu nachgeschalteten Zündungen nach der Einleitung der Verbrennung durch den Zündfunken.
Physikalischer Hintergrund: Mit dem Zündfunken breitet sich eine Flammfront im Brennraum mit einer Geschwindigkeit in der Größenordnung von ca. 30 m/s aus. Gleichzeitig läuft eine Druckwelle mit Schallgeschwindigkeit durch den Brennraum, die an den Zylinderwänden reflektiert wird. Dadurch kommt es lokal zu Drucküberhöhungen. Findet dadurch dann eine erneute Zündung statt (Hot spot Bedingung erreicht), laufen weitere Flammfronten und Druckwellen durch den Brennraum (und so weiter) und man hat das eigentliche Klopfen. Da die Verbrennungen untereinander zyklisch streuen, können nach einer klopfenden Verbrennung wieder viele normal verlaufende Verbrennungen stattfinden. Klopfende Verbrennungen erhöhen durch die dabei entstehenden turbulenten Strömungen den Wärmeübertrag an die Bauteile des Brennraums. Druckerhöhungen treten nur lokal, hochfrequent und kurzfristig auf. Ein stabiler Motor kann längere Zeit im mittleren Klopfen ( bis zu vereinzelten 20 bar Druckamplituden,) betrieben werden, ohne einen Schaden zu erleiden. Eine Klopfregelung fährt den Motor immer wieder in das Klopfen hinein und erkennt dann die auftretenden Druckschwingungen und regelt die Zündung wieder leicht zurück. Nur so lässt sich ein Motor geregelt an der Klopfgrenze betreiben.
typische Schadensformen: Erosions- und Schmelzspuren an Kolben, Zylinderköpfen und ZKDs. In extremen Einzelfällen Kolbenringbrüche und Kolbendurchschmelzer.
Bei der
Vorentflammung werden die kritischen Zündbedingungen (Hot spot)vor dem eigentlichen Zündzeitpunkt erreicht, wobei es nachfolgend zu Klopferscheinungen kommen kann. Im Gegensatz zu vorherigen Klopfen, kann aber keine Klopfregelung der Welt an dieser Stelle mehr helfend eingreifen, da - wie bereits gesagt - die Verbrennung vor dem eigentlichen Zündzeitpunkt ( der von der Klopfregelung gesteuert wird) eingeleitet wird. Während die Vorentflammungen bei dynamischen Betrieb sporadisch auftreten können, ist bei Vorentflammungen im stationären Betrieb der Motor extremst gefährdet. Meist kann nur durch ein sofortiges vom Gas gehen der Motor dann noch gerettet werden. Wenn dies nicht erfolgt, werden durch den ansteigenden Wärmeübertrag die Zündbedingungen immer kritischer und der Zeitpunkt der Verbrennungseinleitung wandert nach vorne, bis letztlich....
Schadensformen: Wie beim Klopfen, vereinzelt aber auch wie bei Glühzündungen (s.u.)
eine stabile
Glühzündung vorliegt. Bei der Glühzündung sind Entflammungsbeginne von 30 bis 40 Grad vor dem eigentlichen Zündzeitpunkt möglich. Dabei gibt es dann keine Klopfschwingungen und hochfrequente Druckamplituden mehr ( unhörbar !!), aber durch die früh einsetzende Verbrennung erfolgt der meiste Energieumsatz schon in der Kompressionsphase, so dass im OT extrem hohe Drücke (>200bar) und Temperaturen im Zylinder erreicht werden können. Nach nur wenigen Sekunden erfolgt dann der Motorschaden. Die Verbrennungseinleitung erfolgt dabei definitionsgemäß immer durch heißes Material (Kerzenelektroden, überhitztes Auslassventil oder auch glühende Ölkohlepartikel)
Typische Schadensformen : Gebrochene Kolben und Pleuel, verbogenen Pleuel und Kurbelwellen, durchgetulpte Einlassventile, verbrannte Auslassventile und abgebrannte Zündkerzenelektroden
Hoffe, dass jetzt doch dem ein oder anderen Corvette Fahrer klarer geworden ist, was es mit dem "Verbrennungsanaomalien -Zündungsklopfen- Selbstzündungen usw." auf sich hat. Habe versucht, es verständlich zu erläutern, wenn es auch in dem einen oder anderen Detail wissenschaftlich nicht 100% korrekt ist. Begriffe wie "Enthalpie usw. " wurden hier bewusst vermieden, da sie hier nicht zu einem allgemeinen Verständnis beitragen.
Die Schilderungen wann mit welchem Phänomen zu rechnen ist, welche Motoren wodurch besonders gefährdet sind und welche Abhilfemaßnahmen dann noch greifen, würden hier den Rahmen sprengen. Vielleicht ergibt sich ja an anderer Stelle einmal die Gelegenheit, das Thema wieder aufzugreifen.
Gruß
Wutzer
Ps.: Hoffe, dass interessiert überhaupt jemanden, nachdem ich jetzt einen halben Schreibkrampf habe.