14.08.2007, 15:36
Senioren am Steuer - Sicherheitsrisiko auf unseren Straßen?
Sendung vom 14. August 2003, Autor: Chris Humbs
https://www.rbb-online.de/_/kontraste/be...73368.html
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Sinken die Unfallzahlen, wenn ältere Fahrer per Gesetz zum Leistungstest verpflichtet werden? Fakt ist, je älter der Fahrer, desto größer das Unfallrisiko. Gemessen an ihrem Anteil am Straßenverkehr sind es die über 75jährigen, die am häufigsten Unfälle verursachen. Doch in Deutschland gilt die Fahrerlaubnis auf Lebenszeit. Freiwillig gibt kaum jemand den Führerschein ab. Kontraste-Autor Chris Humbs plädiert für den Leistungstest ab 75.
Es kracht zwischen Jung und Alt! Sie streiten und sie neiden: um die Rente, um die Gesundheitsversorgung, um die Last der Kindererziehung. Und wir werden heute Abend den Generationenkonflikt noch mal anheizen: Der Krieg der Generationen findet auch auf den Straßen statt.
Nun wissen wir ja, wer die Rowdies sind: klar die 18-jährigen Jungs, die hinterm Steuer zu großen starken Männern werden und an den Baum knallen. Aber, und das liebe junge Zuschauer, das wird Sie jetzt interessieren: wirklich unberechenbar sind - die Alten!
Chris Humbs war Beifahrer bei Senioren und kam mit dem Schrecken davon. Denn: Je älter die Fahrer, desto größer das Unfallrisiko!
Friedrich W. Schulz ist 76. Er fährt gerne Auto. Auch wenn es dem Berliner nicht mehr so leicht fällt wie früher.
Friedrich W. Schulz:
"Es hat mir früher in jungen Jahren nicht so viel ausgemacht. Also, ich fahre ungern nachts. Und schon ganz besonders ungern, wenn es dunkel ist und es regnet. Die Straßen sind feucht, es reflektiert alles. Ich meine ich fahre, aber dann auch besonders vorsichtig."
Ein bisschen vorsichtiger fahren - das reicht, glaubt Friedrich W. Schulz. Den Führerschein wegen seines hohen Alters abzugeben, kommt für ihn nicht in Frage.
Die Jungen gelten im Straßenverkehr als Unfallverursacher Nummer eins. Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. In 63 Prozent aller Fälle ist der Jugendliche unter 21 Jahren selber Schuld am Unfall und somit weit überdurchschnittlich gefährlich. Doch diese Statistiken enden meist mit dem 65. Lebensjahr. Jetzt gibt es eine alarmierende Studie des Zentrums für Verkehrssicherheit, die weitergehend ist. Die Spitzenreiter unter den Unfallverursachern sind mit Abstand die über 75-jährigen.
Immer häufiger finden sich Meldungen von tödlichen Crashs - verursacht von Rentnern. Das ist kein Zufall, weiß Professor Hans-Peter Krüger. Er analysierte in einer aufwendigen Studie die Schwächen der Senioren im Straßenverkehr.
Prof. Hans-Peter Krüger, Zentrum für Verkehrssicherheit, Universität Würzburg:
"Es betrifft sowohl Informationsaufnahme: sehen, hören, es betrifft Informationsverarbeitung: sich entscheiden, richtig reagieren, es betrifft auch das Handeln, also motorisch richtig das Fahrzeug bewegen. All das lässt mit dem Alter, mit hohen Alter vor allem, sehr, sehr deutlich nach. Daraus resultiert, dass alte Menschen in besonderen Situationen auch Schwierigkeiten haben, insbesondere an Kreuzungssituationen, wo all diese Fertigkeiten gefordert sind."
Doch genau das wollen viele Senioren nicht wahrhaben. Unbekümmert fahren sie zum Einkaufen, ins Grüne oder zu den Enkeln. Zu Fahrtauglichkeitstests erscheinen Senioren so gut wie nie. Friedrich W. Schulz ist eine Ausnahme. Er will sich jetzt einem medizinisch-psychologischen Test vom TÜV stellen.
Friedrich W. Schulz:
"Ich habe mich eigentlich für diesen Test entschieden, weil ich mir davon erhoffe, dass ich selber über mich Klarheit bekomme, wie fahrtüchtig ich selber noch bin, ob meine Reaktionen stimmen, ob meine Fahrweise vernünftig ist, das denke ich, ist wichtig für mich."
Frage:
"Was passiert, wenn der Test nicht so ausfällt, wie Sie sich es erhoffen?"
Friedrich W. Schulz:
"Das ist eine Gewissensfrage. Also ich hoffe, dass ich dann den Mut und auch die Kraft habe, zu sagen: "Jetzt gebe ich die Pappe weg!". Aber ich könnte das heute nicht versprechen."
Friedrich W. Schulz beim TÜV-Test.
Friedrich W. Schulz:
"Das ist doch ScheiXe. Was hat dieser Test mit der Realität zu tun."
TÜV-Testerin:
"Nun, wenn ein Kind schnell auf die Fahrbahn läuft, dann muss man auch schnell reagieren."
Frage:
"Was kann so ein Test erreichen?"
Ulrich Wetzels / TÜV Rheinland, Berlin-Brandenburg:
"Es ist nur für den bestimmt, der so einen Test bezahlt, und was er dann damit macht, ist dann seine Sache."
Ulrich Wetzels / TÜV Rheinland, Berlin-Brandenburg:
"Nehmen sie Platz, Herr Schulz. Haben Sie den Test gut überstanden?"
Friedrich W. Schulz:
"Mit ziemlicher Nervosität."
Wie das Testergebnis ausfiel, bleibt auch uns verschlossen. Friedrich W. Schulz wird jedenfalls weiter Auto fahren. Niemand kann ihm das Auto fahren verbieten. Der Führerschein gilt in Deutschland auf Lebenszeit.
Wir fragen nach beim Ministerium für Verkehr. Wie will man auf die alarmierenden Studien reagieren - was ist geplant?
Kein Interview vor der Kamera: Das Verkehrsministerium lässt uns mit der Auskunft stehen: es gibt keinen Handlungsbedarf.
Prof. Hans-Peter Krüger, Zentrum für Verkehrssicherheit, Universität Würzburg:
"Das große Glück der Senioren ist, dass die Politiker selber alt sind, von daher haben sie sicherlich eine gute Lobby. Es ist nicht wegzudiskutieren, vor allem im Alter von 75, dass wir dort erhebliche Unfallbelastungen bei den älteren Fahrern haben. Wir haben sie, wir haben sie heute schon. Und wir werden sie in 20 oder 30 Jahren, wenn 1/3 unserer Bevölkerung über 60 Jahre alt ist, dann werden wir es noch vermehrt haben."
Ganz anders in Schweden. Dort gibt es seit langem Tests für Senioren, auch in Großbritannien. In Finnland muss man ab 45 zum Augenarzt, ab 60 zum medizinischen Test und ab 75 müssen die Angehörigen der Erteilung einer Fahrerlaubnis zustimmen. Das Resultat dieser Vorsichtmaßnahmen: Das Unfallaufkommen liegt jeweils deutlich unter dem Deutschlands.
Trotzdem dominieren in Deutschland immer noch die Gegner einer Einführung solcher Tests. Unter ihnen auch der ADAC:
Eberhard Waldau / ADAC Berlin-Brandenburg:
"Für den ADAC wäre meines Erachtens diese Entscheidung so nicht tragbar. Denn das ist eine Konsequenz, die eine ganz bestimmte Altersgruppe in unserer Bevölkerung benachteiligt."
Gegen den Führerschein auf Probe für junge Autofahrer hat der ADAC allerdings nichts. Ein seltsames Verständnis von Gleichberechtigung!
Immerhin, der ADAC bietet auch Senioren - gegen Entgelt - ein freiwilliges Fahrsicherheitstraining an.
ADAC-Prüfer:
"Ja, also, das nächste mal ein bisschen schneller. Das war ja eine Kaffeefahrt."
Jedoch ist das Training nicht auf die besonderen Bedürfnisse der Älteren abgestimmt. Der ADAC erklärt uns: Es fehlt schlicht an Kunden - die Alten kommen nicht. Nichts desto trotz, ist auch hier Friedrich W. Schulz mit seinem Daihatsu dabei - und er schlägt sich wacker.
Frage:
"Warum glauben sie selbst, machen die Älteren bei solchen Tests, die freiwillig sind, nicht mit, was ist der Grund dafür?"
Friedrich W. Schulz:
"Weil sie Angst haben, dass sie den Führerschein abgeben müssen. Und wer verzichtet gerne auf solche Bequemlichkeiten, auf solche Vorteile."
Frage:
"Aber die Leute wissen doch, dass es anonym ist."
Friedrich W. Schulz:
"Aber sie glauben es nicht. Oder aber, sie würden ja dann ständig mit einem schlechten Gewissen fahren."
Herr Schulze hat Mut: Er hat offen mit uns gesprochen, auch über die Augenschwäche. Warum aber wollten die Politiker nicht mit uns reden? Wir haben sie ja nur nach der Lizenz zum Fahren ab einem bestimmten Alter gefragt. Nicht nach der Lizenz zum Regieren.
Sendung vom 14. August 2003, Autor: Chris Humbs
https://www.rbb-online.de/_/kontraste/be...73368.html
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Sinken die Unfallzahlen, wenn ältere Fahrer per Gesetz zum Leistungstest verpflichtet werden? Fakt ist, je älter der Fahrer, desto größer das Unfallrisiko. Gemessen an ihrem Anteil am Straßenverkehr sind es die über 75jährigen, die am häufigsten Unfälle verursachen. Doch in Deutschland gilt die Fahrerlaubnis auf Lebenszeit. Freiwillig gibt kaum jemand den Führerschein ab. Kontraste-Autor Chris Humbs plädiert für den Leistungstest ab 75.
Es kracht zwischen Jung und Alt! Sie streiten und sie neiden: um die Rente, um die Gesundheitsversorgung, um die Last der Kindererziehung. Und wir werden heute Abend den Generationenkonflikt noch mal anheizen: Der Krieg der Generationen findet auch auf den Straßen statt.
Nun wissen wir ja, wer die Rowdies sind: klar die 18-jährigen Jungs, die hinterm Steuer zu großen starken Männern werden und an den Baum knallen. Aber, und das liebe junge Zuschauer, das wird Sie jetzt interessieren: wirklich unberechenbar sind - die Alten!
Chris Humbs war Beifahrer bei Senioren und kam mit dem Schrecken davon. Denn: Je älter die Fahrer, desto größer das Unfallrisiko!
Friedrich W. Schulz ist 76. Er fährt gerne Auto. Auch wenn es dem Berliner nicht mehr so leicht fällt wie früher.
Friedrich W. Schulz:
"Es hat mir früher in jungen Jahren nicht so viel ausgemacht. Also, ich fahre ungern nachts. Und schon ganz besonders ungern, wenn es dunkel ist und es regnet. Die Straßen sind feucht, es reflektiert alles. Ich meine ich fahre, aber dann auch besonders vorsichtig."
Ein bisschen vorsichtiger fahren - das reicht, glaubt Friedrich W. Schulz. Den Führerschein wegen seines hohen Alters abzugeben, kommt für ihn nicht in Frage.
Die Jungen gelten im Straßenverkehr als Unfallverursacher Nummer eins. Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. In 63 Prozent aller Fälle ist der Jugendliche unter 21 Jahren selber Schuld am Unfall und somit weit überdurchschnittlich gefährlich. Doch diese Statistiken enden meist mit dem 65. Lebensjahr. Jetzt gibt es eine alarmierende Studie des Zentrums für Verkehrssicherheit, die weitergehend ist. Die Spitzenreiter unter den Unfallverursachern sind mit Abstand die über 75-jährigen.
Immer häufiger finden sich Meldungen von tödlichen Crashs - verursacht von Rentnern. Das ist kein Zufall, weiß Professor Hans-Peter Krüger. Er analysierte in einer aufwendigen Studie die Schwächen der Senioren im Straßenverkehr.
Prof. Hans-Peter Krüger, Zentrum für Verkehrssicherheit, Universität Würzburg:
"Es betrifft sowohl Informationsaufnahme: sehen, hören, es betrifft Informationsverarbeitung: sich entscheiden, richtig reagieren, es betrifft auch das Handeln, also motorisch richtig das Fahrzeug bewegen. All das lässt mit dem Alter, mit hohen Alter vor allem, sehr, sehr deutlich nach. Daraus resultiert, dass alte Menschen in besonderen Situationen auch Schwierigkeiten haben, insbesondere an Kreuzungssituationen, wo all diese Fertigkeiten gefordert sind."
Doch genau das wollen viele Senioren nicht wahrhaben. Unbekümmert fahren sie zum Einkaufen, ins Grüne oder zu den Enkeln. Zu Fahrtauglichkeitstests erscheinen Senioren so gut wie nie. Friedrich W. Schulz ist eine Ausnahme. Er will sich jetzt einem medizinisch-psychologischen Test vom TÜV stellen.
Friedrich W. Schulz:
"Ich habe mich eigentlich für diesen Test entschieden, weil ich mir davon erhoffe, dass ich selber über mich Klarheit bekomme, wie fahrtüchtig ich selber noch bin, ob meine Reaktionen stimmen, ob meine Fahrweise vernünftig ist, das denke ich, ist wichtig für mich."
Frage:
"Was passiert, wenn der Test nicht so ausfällt, wie Sie sich es erhoffen?"
Friedrich W. Schulz:
"Das ist eine Gewissensfrage. Also ich hoffe, dass ich dann den Mut und auch die Kraft habe, zu sagen: "Jetzt gebe ich die Pappe weg!". Aber ich könnte das heute nicht versprechen."
Friedrich W. Schulz beim TÜV-Test.
Friedrich W. Schulz:
"Das ist doch ScheiXe. Was hat dieser Test mit der Realität zu tun."
TÜV-Testerin:
"Nun, wenn ein Kind schnell auf die Fahrbahn läuft, dann muss man auch schnell reagieren."
Frage:
"Was kann so ein Test erreichen?"
Ulrich Wetzels / TÜV Rheinland, Berlin-Brandenburg:
"Es ist nur für den bestimmt, der so einen Test bezahlt, und was er dann damit macht, ist dann seine Sache."
Ulrich Wetzels / TÜV Rheinland, Berlin-Brandenburg:
"Nehmen sie Platz, Herr Schulz. Haben Sie den Test gut überstanden?"
Friedrich W. Schulz:
"Mit ziemlicher Nervosität."
Wie das Testergebnis ausfiel, bleibt auch uns verschlossen. Friedrich W. Schulz wird jedenfalls weiter Auto fahren. Niemand kann ihm das Auto fahren verbieten. Der Führerschein gilt in Deutschland auf Lebenszeit.
Wir fragen nach beim Ministerium für Verkehr. Wie will man auf die alarmierenden Studien reagieren - was ist geplant?
Kein Interview vor der Kamera: Das Verkehrsministerium lässt uns mit der Auskunft stehen: es gibt keinen Handlungsbedarf.
Prof. Hans-Peter Krüger, Zentrum für Verkehrssicherheit, Universität Würzburg:
"Das große Glück der Senioren ist, dass die Politiker selber alt sind, von daher haben sie sicherlich eine gute Lobby. Es ist nicht wegzudiskutieren, vor allem im Alter von 75, dass wir dort erhebliche Unfallbelastungen bei den älteren Fahrern haben. Wir haben sie, wir haben sie heute schon. Und wir werden sie in 20 oder 30 Jahren, wenn 1/3 unserer Bevölkerung über 60 Jahre alt ist, dann werden wir es noch vermehrt haben."
Ganz anders in Schweden. Dort gibt es seit langem Tests für Senioren, auch in Großbritannien. In Finnland muss man ab 45 zum Augenarzt, ab 60 zum medizinischen Test und ab 75 müssen die Angehörigen der Erteilung einer Fahrerlaubnis zustimmen. Das Resultat dieser Vorsichtmaßnahmen: Das Unfallaufkommen liegt jeweils deutlich unter dem Deutschlands.
Trotzdem dominieren in Deutschland immer noch die Gegner einer Einführung solcher Tests. Unter ihnen auch der ADAC:
Eberhard Waldau / ADAC Berlin-Brandenburg:
"Für den ADAC wäre meines Erachtens diese Entscheidung so nicht tragbar. Denn das ist eine Konsequenz, die eine ganz bestimmte Altersgruppe in unserer Bevölkerung benachteiligt."
Gegen den Führerschein auf Probe für junge Autofahrer hat der ADAC allerdings nichts. Ein seltsames Verständnis von Gleichberechtigung!
Immerhin, der ADAC bietet auch Senioren - gegen Entgelt - ein freiwilliges Fahrsicherheitstraining an.
ADAC-Prüfer:
"Ja, also, das nächste mal ein bisschen schneller. Das war ja eine Kaffeefahrt."
Jedoch ist das Training nicht auf die besonderen Bedürfnisse der Älteren abgestimmt. Der ADAC erklärt uns: Es fehlt schlicht an Kunden - die Alten kommen nicht. Nichts desto trotz, ist auch hier Friedrich W. Schulz mit seinem Daihatsu dabei - und er schlägt sich wacker.
Frage:
"Warum glauben sie selbst, machen die Älteren bei solchen Tests, die freiwillig sind, nicht mit, was ist der Grund dafür?"
Friedrich W. Schulz:
"Weil sie Angst haben, dass sie den Führerschein abgeben müssen. Und wer verzichtet gerne auf solche Bequemlichkeiten, auf solche Vorteile."
Frage:
"Aber die Leute wissen doch, dass es anonym ist."
Friedrich W. Schulz:
"Aber sie glauben es nicht. Oder aber, sie würden ja dann ständig mit einem schlechten Gewissen fahren."
Herr Schulze hat Mut: Er hat offen mit uns gesprochen, auch über die Augenschwäche. Warum aber wollten die Politiker nicht mit uns reden? Wir haben sie ja nur nach der Lizenz zum Fahren ab einem bestimmten Alter gefragt. Nicht nach der Lizenz zum Regieren.